Die Werte und Normen unseres wunderbaren Grundgesetzes sind nicht vom Himmel gefallen. Sie schreiben die Linie deutscher Demokratiegeschichte seit 1848 fort. Vor allem aber entstanden sie als historische Antwort auf das Scheitern der Weimarer Republik und die Terrorherrschaft der Nazis.
Die vielen Gedenkorte in Baden-Württemberg, wie beispielsweise das Hotel Silber in Stuttgart, erinnern uns daher nicht nur an historische Ereignisse. Sie erinnern uns, dass unsere Grundwerte eine Antwort sind, auf Unrecht, auf Hass, auf Unmenschlichkeit. Und sie mahnen uns, für diese Grundwerte auch einzustehen. Weil unsere liberale, moderne Gesellschaft nicht selbstverständlich ist, sondern etwas, woran wir täglich arbeiten müssen.
Erinnerungskultur ist also kein Zufall. Denn während das Vergessen einfach geschieht – lautlos und unspektakulär –, ist es eine aktive Entscheidung, woran und an wen wir uns erinnern. Die deutsche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte gilt daher zurecht vielen als Errungenschaft. Und besonders in Zeiten, in denen von Schlussstrich, von Schuldkult, von einem Denkmal der Schande die Rede ist, sind wir alle gefragt, eines ganz klar zu machen:
Wir erinnern uns, um nicht zu wiederholen!
Das ist unsere Verantwortung.
Ich setze mich daher für eine Stärkung der Landeszentrale politische Bildung ein. Deren Mittel für Gedenkarbeit haben wir seit 2011 mehr als verzehnfacht. Einmal jährlich gedenken wir im Landtag von Baden-Württemberg der Opfer des Nationalsozialismus. Diese Veranstaltungen berühren mich jedes Mal aufs Neue sehr. Im Jahr 2018 beispielsweise fand der Gedenktag in Ulm statt - und erinnerte an die Opfer des Antisemitismus in der NS-Zeit. Im letzten Jahr waren wir in Grafeneck; meine Rede von diesem besonderen Gedenktag finden Sie hier.
Jedes Jahr reise ich außerdem durch Baden-Württemberg, um die Gedenkstätten des Landes zu besuchen und mich mit deren Mitarbeiter*innen und ehrenamtlichen Unterstützer*innen auszutauschen.
2019 war ich darüber hinaus mit Mitgliedern des Landtagspräsidiums in Israel zu Gast. Die Delegationsreise stand ganz im Zeichen unserer Erinnerungskultur. In Yad Vashem habe ich als Landtagspräsidentin mit einem Kranz der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
Eine moderne Erinnerungskultur
Schließlich ist Erinnerungskultur auch eine Frage der Vermittlung. Die Herausforderungen, die hier vor uns liegen, sind groß. Es gibt kaum noch Zeitzeugen. Geschichte wird weniger greifbar. Daher bedarf es unser aller Engagement, um sie immer wieder neu zu beleben.
Gedenkkultur muss aber auch passen. Zu unserer heutigen Gesellschaft. In unsere heutigen Klassenzimmer. Mein Ziel ist daher eine moderne Gedenkkultur. Eine Gedenkkultur, die insbesondere auch junge Menschen anspricht, deren Vorfahren nicht in Deutschland geboren wurden, die eine andere Geschichte haben und nicht mit unserer Erinnerungskultur aufgewachsen sind. Eine Gedenkkultur also, die unser Erinnern aufs Hier und Jetzt bezieht und uns hilft, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.